~ Drachenreise zur 10. Rauhnacht ~
Der volle Mond stand hoch am Himmel. Das Mitternachtsblau des Himmels umschloss die Welten. Eine Monddrachin flog hoch oben um den Mond herum und ich spürte meinen Schattendrachen True neben mir.
Ich stand auf seinem Vulkankrater und blickte mit ihm gen Himmel und dann kam die Monddrachin zu ihm und beide umarmten sich und schmiegten sich eng aneinander. Es war ein wunderschönes Bild – gleich Ying und Yang. Erst später begriff ich, was ich wirklich sehen sollte. Jeder blieb beim Zusammensein bei sich. Mein Schattendrache verdunkelte nicht die Monddrachin und die Monddrachin erhellte oder beleuchtete auch nicht den Schattendrachen. Jeder war bei sich und doch waren sie auch zusammen. Das sehen zu dürfen war ein wunderschönes Geschenk.
Erst jetzt fiel mir auf, dass wir längst in der Dämmerung waren. Jetzt, wo weder Sonne noch Mond am Himmel zu sehen waren, konnten sie zusammen sein. Und dann zeigte sich eine Sonnendrachin, die sich zu den Beiden gesellte. Und auch hier blieb jeder bei sich. Niemand wurde verdunkelt und niemand erhellt. Jeder berührte Jeden, aber niemand griff um sich oder nahm jemandem anderes ein oder gar einen Platz weg. Sie alle waren Individuen, die sich respektieren und getrennt-eins-sein konnten. Sie Liebe hielt sie zusammen.
Ich betrachtete diese drei Drachen eine ganze Weile, bis dann die Sonne sich zeigte und sie sich trennten, bis zur nächsten Dämmerung. Und True verkroch sind in den Schatten seines Vulkankraters.
Ja, die Polaritäten. Verschieden und doch gleich. Getrennt und doch eins. Es gibt sie überall, mal nehmen wir sie wahr und mal übersehen wir sie. Mal groß, mal klein. Mal offensichtlich, mal übersehbar.
Danke, dass ich all das wahrnehmen durfte.
~© Kerstin Kochler