~ das bin ich – heute (4.8.2024) – von 3-5Uhr Sonntagnacht ~

Ich will seit Tagen meine Gedanken aufschreiben und schaffe es nicht. Mein Kopf ist voll, mein Denken funktioniert und doch ist mein Kopf leer und mein Denken in Slow Motion und reinstem Wirrwarr. Jetzt ist es kurz nach 3 Uhr Sonntagnacht und ich bin wieder einmal wach, wie so oft in den letzten zwei Wochen.
Und ich fühle mich nicht gut genug … falsch … als eine Versagerin.
Es sind Gedanken. Eigentlich sind es nur Gedanken. Ich weiß es. Ich bin schließlich Coachin für The Work of Byron Katie. Und ich weiß, dass diese Gedanken nicht wahr sind. Ich weiß es. Und doch zerreißen sie mir das Herz.
“Kerstin, sie zerreißen dir das Herz, weil du sie glaubst.”
Ich weiß.
Und weil ich sie nicht direkt überprüfe.
Ich laufe seit mehr als einer Woche im Automodus. Aufstehen, Lucy Medikamente geben, beten, dass sie etwas isst … und das von morgens bis abends … und seit einer Woche gibt es noch ein Spezialmittel, das ich mit der Spritze zufüttere.
Und bei all dem höre ich Worte, die mir einmal gesagt wurden – von Klienten und Bekannten … “Für dich ist es nicht so schlimm, wenn eines deiner Tiere stirbt, denn du kannst ja immer wieder mit ihm/ihr sprechen.”, “Du bist Tierkommunikatorin und Schamanin, du hast es viel besser als ich.”, “Ich dachte du bist schon weiter.”, “Du weißt doch wie das mit dem Sterben ist und du kannst sie immer wieder besuchen.”, “Du kannst dein Tier ganz anders begleiten.”, “ Kannst du dich nicht mit ihr/ihm verbinden und behandeln?” … … … Wie oft habe ich das schon alles gehört. Und ein Teil von mir glaubt, dass sie recht haben. Ich müsste weiter sein. Mir dürfte es nicht so viel ausmachen, dass Frau Lucy bald stirbt.
(Und die Coachin in mir weiß, dass es nur Worte sind – Sätze, Gedanken, Fragen. Ich mache durch meinen Filter (meine Vergangenheit + meine eigenen Gedanken) eine Geschichte, Urteile und Vorwürfe daraus.)
FUCK. Scheiße, doch! Es macht mir verdammt viel aus. Es tut scheiße weh. Fast 17 gemeinsame Jahre sind einfach zu wenig. Ich würde Lebensjahre von mir gegen Lebensjahre für sie eintauschen, nur um sie nicht gehen lassen zu müssen.
Ich bin doch auch nur ein Mensch.
Manchmal möchte ich alle Titel wegnehmen und nur noch schreiben “Kerstin Kochler – Mensch”. “Mensch”, denn das bin ich in allererster Linie. Nur will man das nicht sehen. Menschen wollen keine Menschen sehen, sie wollen heile Welt sehen, Wesen zu denen sie aufblicken können, die ihnen den Weg zeigen und vorbeten. So funktioniert das Leben aber nicht. Wir alle sind nur Menschen. Wir alle kochen nur mit Wasser, wenn wir nicht gerade etwas frittieren oder braten.
Ich bin im Moment am Ende meiner Kräfte … jetzt gerade 3:48 Uhr Sonntagnacht. Und doch ist auch nur das ein Gedanke, denn ich habe Kraft. Ich habe Kraft, all das zu schreiben. Ich habe Kraft hier am Schreibtisch, auf meinem Stuhl aufrecht zu sitzen. Ich habe Kraft, um meine Finger zu bewegen. Ich habe Kraft, denn mein Herz schlägt und mein Atem fließt (wenn auch flach) und beides geschieht ganz automatisch, ohne dass ich etwas dafür tun muss. Ich habe Kraft. Ich kann mir also aufhören zu erzählen, dass ich keine mehr habe, denn das ist eine Lüge meines Egos.
Ich fühle mich als Versagerin, weil ich glaube, mehr tun zu müssen … das Leben ändern zu müssen … Lucys Tod verhindern zu können. Und ich kann es nicht. Ich bin nicht Gott. Ich bin ein Mensch. Und ich bin gerade nur ein verfluchter Beifahrer, der versucht die Route zu ändern, versuche das Navi umzuprogrammieren und verzweifelt versuche, ins Lenkrad zu greifen. Und alles sind nur Versuche, denn der Tod ist da. Ich sehe ihn. Ich kann ihn in ihren Augen sehen. Und ich will es nicht wahrhaben. Ich leugne es. Ich will nicht hinsehen. Ich bin nur ein verfluchter, scheiß kleiner Mensch. Ich bin nicht Gott.
Und ich versuche stark zu sein. Alles zu tun. Zu funktionieren. Die Fassade aufrecht zu erhalten, denn wie wurde mir mal von einer Bekannten gesagt “Klienten wollen deine Probleme nicht sehen. Für sie musst du perfekt und fertig (erleuchtet) sein.”. F*** dich! Ich bin ein Mensch. Und solange wir glauben, dass auch nur irgendwer erleuchtet ist und dass Selbstständige und spirituell arbeitende Menschen keine Menschen mit Problemen und Themen sind, solang sind wir blind und verloren. Und doch wird es uns von allen Seiten so gezeigt und eingeredet. Und ich mache mit, denn wer will schon eine heulende und verzweifelte Kerstin sehen? Das wollte noch niemand. Die starke, selbstbewusste Kerstin war immer gefragt und wurde gesehen.
Naja, ich hab sie ja auch immer nur gezeigt. Weil ich glaubte, alle anderen Menschen haben genug um die Ohren, genug eigene Probleme und ich wollte keine Last sein und mich nicht ihnen noch zumuten. Und das schon seit Kindertagen an.
(Oh man, da zeigen sich schön all meine alten Muster und Glaubenssätze. Sie alle darf ich worken. Immer wieder. Bis ich bereit bin sie loszulassen und sie mich dann loslassen, weil sie keine Lust mehr haben, angesehen zu werden.)
Und vielleicht ist das ein Fehler. Ein Gedanke – es ist nur ein Gedanke, ich weiß. Und doch handel ich so. Und ich handel auch so, weil ich keine Lust mehr auf diese heile Social Media Welt habe. Diese ganzen Hochglanzbilder. Dieser ganze Konsum. Und diese Blindheit für den eigenen Konsum. Es wird mehr gewollt. Kürzere Videos. Kurze Texte. Kein Drama, nur alles schick und schön. Wobei … es gibt auch Menschen die auf ihren Profilen die unschönen Seiten ihres Lebens zeigen. Nur wie machen sie das, immer alles aufzunehmen? Ich hab dazu gar keine Lust. Ich will mein Leben nicht nur vor der Kamera stehen oder mir überlegen, wo ich jetzt gerade das Handy hinstelle, um ja alles aufzunehmen, vom ersten Besuch im Bad am Morgen bis zum Licht ausmachen am Abend. Ich bin doch nicht in der Truman Show.
Was mache ich hier eigentlich? Ich fühle mich so fehl am Platz und verstehe mal wieder nicht, warum ich mir ein Leben als Mensch ausgesucht habe.
Und da merke ich, wie mein Verstand funktioniert. Ich will nicht über den baldigen Tod von Lucy und das Danach nachdenken, also denkt mein Verstand über Social Media und meine Selbstständigkeit nach. Es ist so spannend, das zu beobachten. Danke The Work.
Ich weiß, dass sie gehen wird. Vermutlich werden es nur noch ein paar Wochen oder wenige Monate (wenn ich Glück habe) sein. Und im Hier & Jetzt lebt sie. Sie hat mich geweckt, weil sie auf meinem Kopfkissen lag und begann zu würgen und ich sie schnell auf den Boden setzte. Nein, das Hier & Jetzt ist, dass ich auf meinem Stuhl, an meinem Schreibtisch sitze, Buchstabentasten drücke und sie neben dem Schreibtisch auf dem Sofa liegt und schläft. Ich habe geschaut, sie atmet. Sie lebt.
Und schon steigt die Angst hoch. Und die Angst kommt, weil mein Denken, mein Ego in der Zukunft ist, in der sie schon gestorben ist. Und das ist sie nicht. Unser Denken ist so verdammt schnell.
Ich wurde gefragt, ob The Work etwas im Unterbewusstsein bewirkt. Oh ja. All das, all diese Gedanken laufen in unserem Unterbewusstsein ab. Wir bemerken sie nicht. Wir bemerken unsere Gedanken nicht. Das, was wir bemerken, sind unsere Gefühle. Und durch The Work läuft in mir zwar auch noch einiges im Unterbewusstsein ab, aber ich kann es aufdecken, die Lupe drauf halten, weil ich die Mechanismen durch The Work kenne. Ich weiß, dass Angst ein Gefühl ist, welches entsteht, wenn ich nicht im Hier & Jetzt bin, sondern in Vergangenheit oder Zukunft – wenn ich mir in meinem Kopfkino etwas ausmale und es auch noch glaube und für wahr halte … dabei existiert es gar nicht … nicht im Hier & Jetzt.
The Work vergrößert unser Bewusstsein. Und das ist der Schlüssel für viele Erkenntnisse und der Weg zur Selbstermächtigung. (für mich)
Und ich verstehe die Menschen, die sich wünschen, dass ich einfach alles weg mache, mit einer schamanischen oder energetischen Behandlung. Ich verstehe das. Wie lang habe ich selbst gedacht: “Wenn ich nur diesen einen Punkt finde und auflöse, dann wird alles besser.” … Welche Illusion. Heute lache ich drüber – über mich. Und ich verstehe meinen Wunsch, denn es wäre so schön einfach. Und doch habe ich diesen einen Punkt gefunden – mein Denken. Meine Denken, in dem so viel durcheinander ist. Mein Denken, in dem ich so oft in Vergangenheit und Zukunft bin und nicht im Hier & Jetzt. Mein Denken, dem ich so viel glaube und es nicht hinterfrage.
Bin ich eine Versagerin, weil ich mich fühle, wie ich mich fühle, weil ich bin, was ich bin? Nein!
Bin ich nicht gut genug, weil ich traurig bin, nicht im Hier & Jetzt bin und nur funktioniere? Nein!
Bin ich falsch, weil ich als Tierkommunikatorin und Schamanin und Coachin für The Work of Byron Katie, zweifle, verzweifle, urteile und Angst habe, wenn Lucy stirbt? Nein!
Ich bin ein Mensch.
Ich bin ein Mensch. Und wie bei vielen anderen Menschen ist auch mein Leben nicht perfekt. Tierkommunikatorin, Schamanin, Coachin für The Work of Byron Katie … das alles sind Titel … das ist das was ich liebe, aber unter all dem bin ich nur ein Mensch. Das ist das, was ich bin, wenn alle Titel, alle Gedanken, was ich sein will, zeigen will, möchte … wenn ich alles wegnehme, dann bin ich nur noch ein Mensch. Dann sind wir alle nur noch Menschen. Nein, eigentlich sind wir alle nur Seelen in einem menschlichen Körper, mit einem Geist. Allerdings ist das viel schwerer zu greifen, zu begreifen, als “Mensch”.
eine lange Pause entsteht – es ist bereits 4:26 Uhr – Lucy isst gerade etwas und ich bete mal wieder, dass sie es in sich behält … … … und ich bin froh, dass die Videos, die ich heute hier im Blog noch veröffentlichen werde, alle vorgedreht sind. An einem Tag, wo ich die Kraft dafür hatte, ohne Mega-Herpes am Kinn, ohne völlige Verzweiflung.
Für mich sind es wie zwei Leben. Kerstin, die Selbstständige, die sich auf Social Media zeigt und ihre Selbstständigkeit bewirbt und das alles zeigt … und Kerstin, der Mensch, der mit Tieren spricht, Menschen zuhört, im eigenen Leben immer wieder verzweifelt und aktuell viel weint und doch immer überlebt. Beides bin ich und auch wenn es Menschen da draußen gibt, die gern mehr Kerstin-Mensch sehen wollen würden … mein Leben ist keine Truman Show. Und vielleicht dürfen wir uns bewusst werden, dass alles was wir sehen, egal ob auf Social Media oder im realen Leben, immer nur ein Bruchteil dessen ist, was da wirklich ist und wir niemals wissen, was davon wahr und was unsere Gedanken sind.
Denn auch Menschen, die ihr Leben auf Social Media zeigen, mit ihren Höhen und Tiefen, zeigen nur einen Teil und teilen dies weil ihnen etwas fehlt – sei es Aufklärung in der Welt oder Aufmerksamkeit oder Liebe oder das Gefühl dazu zu gehören (in Vergangenheit und/oder Jetzt) … alles entsteht aus einem Mangel heraus. Auch der Wunsch aufzuklären oder Zugehörigkeit für andere zu schaffen. Denn irgendwo ist da der Mangel, den man selbst erfahren hat. Und nein, ich nehme mich da nicht raus.
Diese Worte sind auf einen Mangel an Schlaf zurückzuführen und an den Glauben, niemandem zu viel zumuten zu wollen. Denn wer diese Worte liest, tut dies freiwillig. Denn jeder kann jederzeit aufhören zu lesen. Und niemand hätte diesen Beitrag überhaupt öffnen müssen. Wenn uns bewusst wird, wie viele Entscheidungen wir treffen und wie viele Wahlmöglichkeiten wir haben, dann erkennen wir unsere Selbstermächtigung an.
Meine Wahl ist, ob ich diesen Beitrag überhaupt veröffentliche. Denn jetzt gerade schreibe ich einfach nur jeden einzelnen Buchstaben und nur weil etwas geschrieben ist, bedeutet es nicht, dass ich es veröffentlichen muss.
Und ich habe die Wahl, mich jedes Mal bewusst wieder ins Hier & Jetzt zu holen, wenn ich merke, dass ich schon über den Tod von Lucy trauere, obwohl sie noch atmet und lebt.
Und ich habe die Wahl, ob ich meinen Gedanken des Versagens, des Verzweifelns, des nicht gut genug, zu viel oder gar falsch zu sein, glaube oder nicht. Und wie unzufrieden ich sein will. Ich habe die Wahl.
Und du auch. Immer.
P.S.: Ich bin so wenig Truman Show, dass ich sogar vergessen habe ein Foto zu machen, welches ich für diesen Text als Titelbild nutzen kann. *lach*